29. Januar 2025
Artikel im Südkurier vom 29.01.2025 von Siegfried Volk
Bei der Baufirma Steidle aus Sigmaringen haben junge Leute vom indischen Subkontinent mit einer Lehre begonnen. Welche Hürden auf dem Weg von Indien nach Deutschland zu überwinden waren.
In vielen Ländern der Welt gibt es motivierte Arbeitskräfte, aber zu wenig Arbeit und damit wenig Möglichkeiten, ein sicheres Einkommen zu erzielen. Besonders in Indien werden jährlich viele tausend Schüler mit guten Leistungen aus der Schule entlassen, ohne Perspektive auf einen Arbeitsplatz. Da aber sogar das Einkommen als gehobener Facharbeiter sehr gering ist, suchten viele Menschen daher ihr Glück im Ausland. Dabei ist es ein Risiko, an eine seriöse Agentur zu geraten, die nicht als Menschenhändler agiert. Die neun Auszubildenden, die die Firma Steidle in all ihren Geschäftsbereichen seit Herbst 2024 bei sich aufgenommen hat, hatten dabei Glück.
Den Kontakt zur indischen Agentur hat Konstantin Steidle hergestellt, der vor zwei Jahren für ein Praktikum in Indien war. Sein Vater und Geschäftsführer Hans Steidle machte sich anschließend auch ein Bild direkt vor Ort und überzeugte sich persönlich von der Vertrauenswürdigkeit. Diese Agentur sei deshalb besonders, weil sie die Vorauswahl der potenziellen Lehrlinge nicht nur entsprechend der Motivation und dem Karrierewunsch der Kandidaten treffe, sondern auch regelmäßige Kontakte zwischen Bewerber und Firma herstelle und den notwendigen Deutsch-Unterricht anbiete. Denn Voraussetzung für den Erhalt des Ausbildungs-Visums ist das B1-Sprachzertifikat.
Bei der Firma Steidle ist Sabine Grom Ansprechperson, wenn es um Mitarbeitergewinnung und die Azubi-Betreuung geht. Sie steht im regelmäßigen Kontakt mit der Agentur und den Bewerbern. Die anfänglichen Schwierigkeiten durch die Sprachkenntnisse und den schwäbischen Dialekt würden durch Lernwille und Fachverständnis schnell ausgeglichen. Ein wenig Eingewöhnungszeit werde aber sicher noch benötigt. „So vermissen die jungen Leute in Deutschland ihren indischen Reis, besondere Gewürze und manchmal auch die Offenheit der Einheimischen.“ Aktueller Zukunftswunsch der Auszubildenden ist es, nach dem Abschluss in Deutschland als Gesellen arbeiten und sich weiterbilden zu dürfen.
„Vom Finden der Agentur bis zur Ankunft der ersten Azubis dauerte es gut 1,5 Jahre“, berichtet Sabine Grom auf Anfrage des SÜDKURIER, dass man während dieses Zeitraumes im Austausch mit Handwerkskammern und Industrie- und Handelskammern stand. Außerdem hat man sich viel mit der Ausländerbehörde in Sigmaringen abgestimmt, was wirklich eine große Hilfe war. Als aufwändigste Arbeit bezeichnet sie, herauszufinden, welche notwendigen Formulare es gibt und wie diese korrekt ausgefüllt werden müssen.
„Auf indischer Seite hat uns dabei im Visum-Prozess die indische Agentur sehr gut unterstützt“, ergänzt Grom, dass die Agentur seit vier Jahren auf dem deutschen Markt unterwegs sei und über Kontakte zu den jeweiligen Konsulaten verfüge, was die Verfahren beschleunige. Allerdings seien die Dienste der Agentur inklusive Sprachkurs für indische Verhältnisse auch sehr teuer, denn je Person entstehen Kosten zwischen 5000 und 6000 Euro. „Da hilft die ganze Familie mit, um ein Familienmitglied mit viel Hoffnung auf ein besseres Leben nach Europa zu schicken.“
Diese Erfahrungen will die Firma Steidle nutzen, denn auch in den kommenden Jahren wird man am Recruiting in Indien festhalten und für 2025 hat man schon mit der Vorauswahl und dem Deutsch-Kurs begonnen. „Einige befreundete Firmen sind auf diesen Zug bereits aufgesprungen, da es in der Nachwuchsgewinnung allen gleich geht“, ergänzt Grom, dass man sich selbstverständlich über heimische Bewerber freut, die bei Steidle eine Ausbildung machen wollen.
Voraussetzung für den Erhalt eines Visums ist nach ihren Angaben, dass eine Wohnung von einem Vermieter bestätigt wird. „Die Jungs wohnen in einer großen möblierten Mitarbeiterwohnung in einer Wohngemeinschaft mit günstiger Miete, die sich auch mit Ausbildungsgehalt finanzieren lässt.“ In ihrer Freizeit seien die Lehrlinge, die zwischen 20 und 28 Jahre alt sind, vom indischen Subkontinent noch viel mit Lernen beschäftigt, und zwar für die Schule und zweimal wöchentlich beim Sprachkurs, um die Deutschkenntnisse, auch Fachthemen, weiter zu festigen. Außerhalb der Firma hätten sie auch schon Freunde gefunden, und ein Azubi sei bereits einem Verein in Sigmaringen beigetreten. „Außerdem wird jeden Abend indisches Essen gekocht. Essen hat einen hohen Stellenwert und braucht viel Zeit.“
Alle Azubis haben übrigens mindestens zehn bis zwölf Jahre Schulbildung hinter sich. Teilweise haben sie Abschlüsse von einem ITI (industrial training institute, quasi eine Art schulische Ausbildung des Staats, z.B. Elektrik, Mechanik, Schweißer, Zeichner) oder sogar einen Studien-Abschluss (Bachelor). „Wir haben in der Vorauswahl die Motivation und die Ziele erfragt und darauf geachtet, dass sie schon mal was im Bereich Bau/Handwerk/Mechanik etc. gelernt oder gearbeitet haben.“